«Das Tor wird Pak stärken»

«Das Tor wird Pak stärken»


Ein paar Brocken Englisch, Glückwünsche aus Bellinzona und ein Hundespaziergang in Lupsingen als Therapie zum Abschalten – die Geschichte von Kwang-Ryong Pak und seinem ersten Tor für den FC Basel. Von Christoph Kieslich

 

Wie ein Honigkuchenpferd strahlte er, als er aus der Fankurve des FCB zurück in die Katakomben der Pontaise kam und es war klar, was jetzt, an diesem freudvollen Abend noch bevorstand. FCB-Pressesprecher Josef Zindel nahm Kwang-Ryong Pak fürsorglich in Empfang und lenkte ihn erst einmal in die Garderobe. Und die kleine Journalistenschar durfte ein paar Witze machen, wer denn am besten Koreanisch dolmetschen könne.

Bernhard Heusler hätte mit Spanisch aushelfen können. Frisch aufpoliert beim Zwei-Tages-Trip nach Barcelona zum Champions-League-Viertelfinal. Immer wieder fasziniert von den Dimensionen der «Maschinerie Barça» ist der Präsident des FC Basel, der regelmässig Kontakt pflegt mit den Katalanen.

Gestern Nou Camp, heute Pontaise

Nun, nach dem Sieg in Lausanne, der den Club einen weiteren Schritt näher brachte Richtung ersten Meistertitel unter seiner Ägide, stand Heusler da und sinnierte über den Unterschied der Dimensionen. Gestern Camp Nou, heute Pontaise. Vom Fussball ganz zu schweigen.

«Es wäre unfair, das zu vergleichen», beeilte Heusler sich zu sagen, liess die Worte sacken, schaute noch mal hinaus aufs Spielfeld in der Lausanner Nacht und meinte, unaufgefordert und völlig ironiefrei: «Ich liebe den Schweizer Fussball. So, wie er ist, hat er sehr viel Charme.» Das kann ein Präsident sagen, der nicht bis zum Abpfiff des letzten Spieltages zittern muss.

«Ich bin so glücklich»

Kaum war es ausgesprochen, erschien Kwang-Ryong Pak wieder. Die Freude war ihm noch nicht aus dem Gesicht gewichen. Im Juni vergangenen Jahres war er zum FC Basel gestossen, quasi zeitgleich mit Joo-Ho Park. Ein Doppelpack aus Korea, der eine aus dem Süden, der andere aus dem Norden. So nahe beieinander und doch so weit entfernt.

Die sprachliche Hürde in Europa ist für beide hoch, und Kwang-Ryong büffelt fleissig die Sprache, die Brücken bauen soll: Englisch. Viel ist es noch nicht, was er anwenden kann, schon gar in aller Öffentlichkeit. Wahrscheinlich ist Josef Zindel in der Kabine das Wichtigste noch einmal durchgegangen mit dem baumlangen Kerl.

Der sagte, was alle erwartet hatten: «Ich bin so glücklich, weil es mein erstes Tor ist.» Und er sagte, was man in so einem Moment eben sagt: «Ich danke Alex Frei für die Flanke.» Er sagte auch noch: «Ich will mein Bestes für den FC Basel geben.» Mehr war nicht zu verlangen. Und dann entschuldigte sich Pak für sein Englisch. Dabei wären die Journalisten froh gewesen, sie hätten das auf Koreanisch von sich geben können.

Von der U21 abgezogen

Lange hat sich Kwang-Ryong Pak gedulden müssen, bis er diesen Abend des 4. April 2012 erleben konnte. Über Kurz- und Kürzesteinsätze war er bisher beim FC Basel nicht hinausgekommen, und eigentlich war auch Lausanne zunächst nicht eingeplant gewesen. Erst am Vortag wurde er von der U21, die gegen Münsingen in der 1. Liga zu spielen hatte (und verlor), abgezogen. Statt am Mittwoch nach Bellinzona zu reisen und dort beim grossen internationalen Turnier gegen Boca Juniors anzutreten, nahm er auf der Bank der Pontaise Platz.

In der 67. Minute, früher als sonst, wechselte ihn Heiko Vogel ein für Jacques Zoua. Und mit einem wild entschlossenen Hechtsprung in eine Eckballflanke von Alex Frei hinein, am verdutzten Fabio Coltorti vorbei, rammte der 1,88 Meter grosse Pak den Ball in der 87. Minute mit der Stirn zum 2:0-Endstand ins Tor. «Tore sind das Elixier für Stürmer», findet Heusler, «und dieses war nicht einmal einfach zu machen.»

Lohn für ein langes Warten

Der Trainer wollte um seine Einwechslung kein besonderes Aufhebens machen. Vogel urteilte nüchtern über über Qualitäten des 19-Jährigen: «Er bringt sehr viel mit. Nebst seiner Grösse und dem Kopfballspiel ist er sehr schnell und beweglich. Und mit rechts hat er mit den härtesten Schuss. Das Tor ist ein besonderer Moment für ihn. Ich gönne es ihm.»

Lausanne war Paks zwölfter Einsatz in der Super League (245 Minuten). Seine Qualitäten hat er im Cup und in Testspielen angedeutet und auch in der U21 hat er regelmässig getroffen. Aber das erste Tor in der Liga ist der Lohn für ein langes Warten und war überhaupt nur möglich, weil Marco Streller erstmals in dieser Saison aufgrund einer Gelb-Sperre fehlte.

Dieser Streller freute sich am Mittwoch als Zuschauer auf der Pontaise mit Pak: «Jeder gönnt ihm das. Ich finde ihn sehr talentiert und sehr anständig.»

Frei und Streller sind Paks Schicksal

«Unser Glück ist es, Frei und Streller zu haben», sagt Bernhard Heusler, «für andere ist es Schicksal.» Pak – mit 18 Jahren in in der Schweiz in einen für ihn völlig neuen Kulturkreis eingetaucht – habe gewusst, dass er bereit sein müsse, auf seine Chance zu warten. Deshalb, so Heusler mit Blick auf die Kaderzusammenstellung, wäre es auch übertrieben gewesen, einen Spieler mit Stammplatz-Anspruch als Stürmer Nummer 3 zu holen.

Jüngst holte sich Pak ein Erfolgslebnis mit der nordkoreanischen Nationalmannschaft, zu deren Stützen er mit seinen jungen Jahren bereits gehört. In der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu schoss er sein Team mit einem Tor in den Final des AFC Challenge Cup, und ein an ihm verursachter Penalty leitete den 2:1-Turniersieg gegen Palästina ein.

Familienanschluss in Lupsingen

Wie es Kwang-Ryong Pak in den Monaten zuvor ergangen ist, kann Karl Messerli mit am besten ermessen. Der Unternehmer aus der Baselbiet war es, der mit seinen geschäftlichen Beziehungen nach Nordkorea und mit dem Sachverstand eines ehemaligen Nationalliga-A-Stürmers, am Transfer massgeblich beteiligt war.

Seit vergangenen Sommer wohnt Pak in Lupsingen im Haus seines väterlichen Beraters. Und Karl Messerli freute sich am Mittwoch ziemlich genauso wie sein Schützling: «Das wird ihm gut tun. Es war eine harte Zeit für ihn und ist es immer noch. Aber man kennt die Regeln im Fussball, weiss, dass es schwierig ist, in eine funktionierende Mannschaft zu kommen. Das hat Pak begriffen.»

Das Adrenalin und der Hundespaziergang

Messerli wollte Mittwochnacht auf Paks Heimkehr warten und kündigte an: «Mal schauen, wie es um das Adrenalin steht. Ansonsten schicke ich ihn noch mit dem Hund für einen Spaziergang raus.» Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits die erste Grussadresse das Hause Messerli erreicht: Die U21 bat aus Bellinzona per SMS, Glückwünsche an Pak auszurichten: Man freue sich mit ihm mit. «Das Tor und alles drum herum», glaubt Messerli, «das wird Pak stärken.»