Der Geist aus Pjöngjang

Kwang-Ryong Pak ist seit über zwei Jahren in der Schweiz – aber nie richtig angekommen. Beim FC Basel findet er auch in seinem zweiten Anlauf den Tritt nicht.

Die Botschaft ist unmissverständlich: «Keine politischen Fragen!» Es gehe schliesslich um den Sport, stellt Karl Messerli klar, nicht um Politik. Kwang-Ryong Pak hat sich etwas verspätet. Aber Messerli ist da und kann über seinen Schützling berichten. Der Plüschtier-Produzent aus Lupsingen, ehemaliger Nationalliga-A-Spieler, ist vor mehreren Jahren auf den Fussball Nordkoreas aufmerksam geworden und hat sich die Transferrechte an Spielern wie Pak gesichert. Nordkorea habe eine gute Fussball-Ausbildung, das Problem sei einzig, dass sich die Spieler nicht mit anderen messen, sagt Messerli. «Wenn man so will, betreiben sie Inzucht.» Darum hat er es sich zur Aufgabe gemacht, die Spieler nach Europa zu exportieren.

Bei seinem Projekt, Kwang-Ryong Pak beim FC Basel unterzubringen, dürfte Messerli mittlerweile ernsthafte Bedenken haben. Dabei sah es für den Stürmer vor zweieinhalb Jahren noch so vielversprechend aus.

Das Versprechen für die Zukunft

Im Juni 2011 wechselte Pak zum FCB, 18 Jahre jung, schon damals mit dem vagen Versprechen, in Zukunft möglicherweise die Lücken im Sturm zu füllen, die durch die Abgänge von Alex Frei und Marco Streller entstanden sind oder noch entstehen werden. Pak war da schon gross, kopfballstark, schnell. Ein Vertrag bis Juni 2016 wurde unterschrieben, um dem Koreaner genug Zeit zu geben, seine Anlagen auszubilden. In der offiziellen Mitteilung des Clubs stand damals, dass man Pak «sofort ins Profikader integrieren» werde.

Doch Kwang-Ryong Pak ist nie über die Rolle als Reservist hinaus gekommen. 14 Spiele in der Super League für den FCB hat er absolviert, 257 Minuten gespielt, einen Treffer erzielt, gegen Lausanne. In Basel hatten sie für den Koreaner keine Verwendung, zumindest keine regelmässige. Deswegen entschloss sich der Club, den Stürmer auszuleihen: Erst nach Bellinzona, das er nach dem Kollaps der dortigen AC beim Zählerstand von sieben Treffern in 17 Spielen wieder verlassen musste. Dann das kurze Gastspiel in Vaduz, was der FCB im August abbrach, weil plötzlich Marco Streller verletzt, Raul Bobadilla abgeschoben und Giovanni Sio noch nicht verpflichtet war. Ein ziemliches Durcheinander für einen Spieler auf der Suche nach Selbstvertrauen, 21 Jahre jung, in einer völlig neuen Kultur.

Die Rolle hinter Streller und Co.

Aber Kwang-Ryong Pak ist keiner, der sich ob dieser Situation beschweren würde. «Es ist ganz einfach: Ich muss Leistung bringen, dann spiele ich. Und wenn ich spiele, dann werde ich auch Tore schiessen», sagt er, als er den zuvor vereinbarten Treffpunkt doch noch gefunden hat. Er habe sich in Bellinzona bewiesen und auch mit seinem Teilzeit-Einsatz in Vaduz sei er nicht unzufrieden. Logisch, dort war er eine Stammkraft und durfte beweisen, dass mehr in ihm steckt als bloss die Versprechungen für die Zukunft. «Er war auf einem guten Weg», sagt auch Vaduz-Trainer Giorgio Contini – «doch dann wurde er vom FCB zurückgezogen.»

Dort hat man sich die Entscheidung nicht einfach gemacht. Denn natürlich weiss man in Basel, dass die Situation für Pak nicht einfacher wird hinter Sio, Streller, Salah und zuletzt im Cup-Spiel in Tuggen sogar Admir Seferagic. «Für ihn wäre es einfach wichtig, dass er mal zwölf Monate am Stück bei einem Club regelmässig spielen kann», sagt Sportdirektor Georg Heitz. So könnte er sein Spiel und, noch viel wichtiger, seine Persönlichkeit weiter entwickeln statt zu stagnieren, wonach es derzeit den Anschein macht. Deswegen sucht man, so Heitz, nach einer Lösung und denkt zumindest über eine erneute Leihe in der anstehenden Winterpause nach.

Die Freundschaft mit Joo-Ho Park

Kwang-Ryong Pak rührt derweil in seinem Espresso und zuckt nur mit den Schultern, wenn man ihn fragt, ob er nicht mal laut werden müsse auf dem Platz, um den Trainer auf sich aufmerksam zu machen. Damit er eben nicht die ganze Zeit hin- und hergeschubst wird. «Nein», so sei er halt, «da kann man nichts machen». Was ihm fehle sei das nötige Selbstvertrauen. Und es macht nicht den Eindruck, als werde er dieses beim FCB in naher Zukunft eingeflösst bekommen, das weiss auch Pak. Wenn man mit ihm spricht, dann merkt man, dass er nicht wirklich glücklich ist. Nicht, wenn er sagt, dass er unauffällig «wie ein Geist» in seiner Wohnung in Muttenz lebe. Und auch nicht, wenn er sagt, wie sehr ihm seine eigene Familie fehlt. Die Mutter. Die vier Jahre ältere Schwester, die eben erst geheiratet habe. Und der Vater, der starb, als Pak 14 Jahre jung war.

«Meine Freunde, meine Familie – alle sind in Korea», sagt er nun und er hat kein Problem zuzugeben, dass er sich jeden Tag nach der Heimat sehnt. Der Telefon- und Briefverkehr ist nicht einfach, ab und zu darf er über eine sichere Leitung mit seinen Verwandten reden, aber eben nur selten. Zwar hat er in den Messerlis eine Ersatzfamilie und in Basel viele Freunde gefunden. Doch sie und andere Fussballer wie Pascal Schürpf oder der Südkoreaner Joo-Ho Park – «Joo-Ho ist ein guter Freund von mir» – können die Familie in Korea nicht ersetzen. Jetzt erst recht nicht, da Park und Schürpf nicht beim FCB spielen.

Kwang-Ryong Pak ist vor mehr als zwei Jahren aus Pjöngjang nach Europa gekommen, um sich in der Schweiz – und später möglicherweise bei einem anderen, einem grösseren Club – durchzusetzen. Davon ist der 21-jährige Stürmer aktuell allerdings weit entfernt. Und in manchen Momenten, wenn man ihm ganz genau zuhört, dann wirkt es, als sei er nie richtig hier angekommen. (Basler Zeitung)

Erstellt: 22.11.2013, 09:58 Uhr