Chon Tese: „Sport und Politik sollten nicht durcheinander geworfen werden“
EXKLUSIV – Chong Tese gehört seit dieser Saison zu den Kolumnisten von Goal.com. Ein Nordkoreaner in der 2. Bundesliga – der Bochumer Stürmer berichtet über seine Abenteuer.
Bochum. Ich musste wirklich über viele Dinge nachdenken, die während der letzten WM-Qualifikationsspiele passiert sind. Ich beginne zuerst mit dem Spiel gegen Usbekistan. Es war sehr enttäuschend, weil wir keinen Schritt Richtung WM-Endrunde machen konnten. Es gibt keine größere Enttäuschung. Welche Auswirkung sie hat werden die kommenden Spiele zeigen. Das ist sehr entmutigend.
Immer wieder die Todesgruppe…
Eine andere Sache, die mir während des Spiels aufgefallen ist, ist die Rolle der Offiziellen, die die internationalen Spiele leiten. Ich denke, dass wir (Nordkorea, Anm. d. Red.) viele Gegner haben. Wenn sie (Usbekistan, Anm. d. Red.) ein Tor erzielten oder in unsere Hälfte kamen, schien der Schiedsrichter pro Usbekistan zu sein. Ich verstehe, dass es ein Auswärtsspiel war und diese Dinge passieren, aber man fragt sich dann, was Fair Play wirklich ist. Ich denke dieser Trend hat in den letzten Jahren zugenommen. Manchmal frage ich mich, worum es im Sport überhaupt geht? Die FIFA spricht immer von der Idee des Fair Plays, aber es gibt immer einen gewissen Gegenwind für Länder mit entwicklungsfähigen Teams. Zum Beispiel waren wir bei den zurückliegenden Auslosungen stets im letzten Lostopf. Es fing bei WM-Qualifikation für Südafrika an und zog bis zu dieser WM-Qualifikation durch. Wir wurden viermal in Folge in eine „Todesgruppe“ gelost. Es fühlt sich an, als wolle man unseren Fortschritt verhindern. Natürlich hat Nordkorea so seine Probleme, aber ich glaube der Fußball selbst auch. Das bereitet mir Sorgen. Als Nationalspieler will man doch ein Umfeld, indem man seine Fähigkeiten ausspielen kann.
Aufgebracht wegen der Fans
Nach der Niederlage in Usbekistan kam das Spiel gegen Japan, was für mich persönlich schon mit vielen Emotionen verbunden war. Wenn man den historischen Hintergrund betrachtet, war es nicht schwer zu erwarten, dass dieses Spiel auch politische Auswirkungen für beide Seiten haben würde. Ich versuche mich nicht mit dem Sieg zu rühmen, aber nach dem Spiel gab es viele Kommentare auf Twitter und ich kann mir nicht helfen, aber einige Medienberichte machten mich echt wütend. Ich bin froh, dass wir gewonnen haben. Es war ein hart geführtes Spiel, aber nach den Regeln ein fairer Kampf. Auch der Schiedsrichter war, obwohl er einige Situationen sehr hart beurteilte, sehr fair. Allerdings bin ich sehr aufgebracht wegen der „Buh-Rufe“ während der japanischen Nationalhymne. Ich habe schon zahlreiche Länderspiele absolviert und bei Nationalhymnen wurde oft gebuht, aber ich denke Sport und Politik sollten nicht durcheinander geworfen werden. Ich möchte nicht sagen, dass ich die Gefühle der Fans im Stadion nicht verstehe, aber das ist etwas, was auch für die Entwicklung des nordkoreanischen Fußballs absolut angegangen werden muss.
Ich bin stolz…
Die Spieler haben offensichtlich ihre eigene politische Motivation und ich denke, wir haben gewonnen, weil wir keinesfalls verlieren wollten und das haben wir auf dem Platz gezeigt. Wenn ich Fußball spiele, denke ich, dass es nicht falsch ist, eine politische Motivation zu haben. Das ist ein Grund, für sein Nationalteam zu spielen. Diego Maradona hasst England sogar heute noch. Man sollte immer auch die Geschichte zweier Länder berücksichtigen. Doch Fußball wird oft mit Krieg verglichen, aber es ist nicht mehr als Sport. Es gibt allerdings einige Länder, die dies vergessen und praktisch entschiedene Spiele in einem Handgemenge enden lassen. Dieses Mal, mal abgesehen von dem Tackling gegen Atsuto Ushida, kämpfte Nordkorea mit dem Ball. Wir wollten nicht gegen Japan verlieren und anstatt dies mit hartem Spiel zu untermauern, zeigten wir unsere fußballerischen Fähigkeiten. In Japan sagen sie „das ist ein Spiel, das nicht verloren werden darf“ und das war der Fall. Wie auch immer, ich denke das „rüdes Spiel dazu da ist, um das Match zu stören“ und „intensives Spiel dazu dient, um ein Spiel zu gewinnen.“ Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Ich denke, wenn man das Spiel unvoreingenommen beobachtet hat, traf auf Nordkorea Letzteres zu und darauf bin ich stolz.
…und enttäuscht
Für mich persönlich war es das erste Mal, dass ich in der ersten Halbzeit ausgewechselt wurde, also war es ehrlich gesagt, für mich als Spieler, enttäuschend. Vielleicht ist es dem Grund geschuldet, dass ich inzwischen erwachsener bin, aber ich habe es mir nicht anmerken lassen, gab dem Trainer die Hand und setzte mich auf die Bank. Als ich meine Teamkameraden dann gewinnen sah, war ich sehr stolz aufgrund ihrer Hartnäckigkeit und ihres Zusammenhalts. Ich wäre gerne auf dem Platz gewesen, daher war ich auf der einen Seite sehr bewegt und auf der anderen enttäuscht wegen der Tatsache, dass es andere Spieler besser gemacht hatten als ich. Dieses Mal haben wir gewonnen, aber ich glaube, dass wir noch nicht auf einem Level mit Japan sind. Es gibt noch eine Menge Dinge, die wir verbessern müssen. Wir holten die drei Punkte durch unsere mentale Stärke, aber du kannst nicht allein mit Kampfgeist gewinnen. Am Ende ist der psychische Zustand zwar wichtig, aber man muss im Zusammenspiel mit den Emotionen ebenso eine Basis schaffen.
Gegen Japan lernten wir eine Menge dieser Dinge. Ich hoffe, dass wir daran weiter wachsen, bis auch wir als einer der Champions in Asien angesehen werden. Dazu möchte ich beitragen. Jedenfalls sind die WM-Qualifikationsspiele für dieses Jahr vorbei. Was ich nun tun kann, ist mein Spiel im Verein wieder zu verbessern. Von nun an werde ich mich voll auf Bochum fokussieren, um das bestmögliche zu erreichen.